Donnerstag, 20. Juni 2013

Pflanzen erblühen und vergehen - genau wie Erinnerungen

Laubblatt auf der linken Brust des ersten deutschen Arbeiterdenkmals in Osnabrück. Adolf Graef (1909)



Dienstag, 14. Mai 2013
 

Ein leicht überlebensgroßer, zentral stehender, von einen großem Mauerwerk eingerahmter Bergmann aus Bronze mit entblößtem Oberkörper und Bergmannshose sowie Schlägel und Eisen in der Hand, auf den Wasser herabströmt. Dahinter eine Art Terrasse.



Mittwoch, 15. Mai 2013



Geht man heute um das eben beschriebene Gebilde herum, blickt man auf eine Gruppe von Studenten, welche gemeinsam ein paar Blumen in eine Schale pflanzen. Die Schale ist im Mauerwerk der Gedenkanlage versockelt. – Ein blumiger Versuch, das Vergessen zu verhindern?

"Auch wenn Erinnerungen tief verpflanzt und verwurzelt sind, kann man sie trotzdem vergessen" 
Dieser Beitrag setzt sich mit einem weiteren Osnabrücker Denkmal - dem „Haarmannsbrunnen“ auseinander. Der Brunnen hat es auf Wiki zu einem Eintrag geschafft - Park-O-Pedia und Hotels bewerben ihre kommerzielle Existenz mit dem Verweis und der Verortung durch das Denkmal.

Im Folgenden wird versucht auf die Frage „Wer erinnert wann, wie und warum an was?“ Antworten zu finden, sowie das Denkmal in den aktuellen Fokus zu rücken und vor allem die Bronzestatue den Osnabrückern wieder in Erinnerung und in das Bewusstsein gerufen zu werden.

Der Haarmannsbrunnen wurde 1909 am Anfang zum Herrenteichswall (dem stündlichen Ende der damaligen Stadtbefestigung) errichtet und gilt als das (fast) älteste Arbeiterdenkmal Deutschlands. Es besteht aus Bronze, Karbon und Sandstein und zeigt einen Bergmann als zentrale Figur.
Vermutlich wird an das Grubenunglück in einem Bergwerk am Piesberg 1893, bei dem neun Bergleute ertrunken sind, erinnert. Warum, dass aber eigentlich nicht der Grund des Baus des Denkmals war - dazu später mehr. 


Zunächst einmal ein paar Informationen zum Stifter August Haarmann. Geboren wurde er 1840 in Blankenstein an der Ruhr und gestorben ist er 1913 in Osnabrück. Er war Namensgeber, Erfinder und Generaldirektor zugleich. Als zweitältester Sohn von insgesamt 10 Kindern half er dem Vater bei der Landwirtschaft und Bäckerei. Um sein Studium zu finanzieren, verdiente er sich, nach dem Brötchen austeilen, Geld in Kohlegruben als Bergmann. Es folgten verschiedene Anstellungen als Ingenieur, bis er 1871 als Leiter den Eisen- und Walzwerkes nach Osnabrück berufen wurde. Als dieses mit der Georgsmarienhütte zusammengelegt wurde, stieg er zum Generaldirektor auf. Der Zeitpunkt der Bekanntschaft mit dem Künstler Adolf Graef aus Fürstenau ist unbekannt. 
Bekannt ist jedoch, dass er ihm eigentlich ein Werk in Auftrag gab, welches einen kraftvollen Arbeiter darstellen sollte, der sich seines Erfolges bei der harten Arbeit erfreut. Damit hatte er in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bürgervorsteherkollegiums und als Senator der Stadt die Niederlegung des letzten Stückes des alten Walles verhindert. (Genauere Erläuterungen zum Hintergrund folgenden im weiteren Verlauf)

Womit man unbedingt vertraut sein muss, wenn man sich mit dem Haarmannsbrunnen beschäftigt, ist die Situation um den Herrenteichswall. 1853 wurde bereits durch die entstehende Eisenbahnlinie Hannover-Rheine, ein Stück des Herrenteichswalles abgetragen. Kurze Zeit später, 1899, sollte noch mehr des Walls geopfert werden, da eine hohe Arbeitslosigkeit bestand und man Arbeitsplätze schaffen wollte. Dabei wurden Vor- und Nachteile abgewogen. Der damalige Baurat Hackländer wollte eine Ringstraße und eine Querverbindung von der Karlstraße zur Domsfreiheit anlegen. Haarmann stimmt anfangs zu: „…im Rest der alten Wallanlagen ist ohnehin kein geschichtliches Monument mehr zu erblicken.“  Daran kann man deutlich erkennen, dass das Denken damals auf Industriefortschritt ausgerichtet war. Auch die Bürger haben deshalb der Abtragung des Walles zugestimmt.
Doch dann wurde bei Befragung auswärtiger Städteplaner erklärt, dass der Herrenteichswall sehr wichtig für Osnabrück sei. Auch weil inzwischen Friedrich Lehmann verantwortlicher Stadtbaumeister geworden war, wurde die Erhaltung der noch übrigen Wallanlage gebilligt.
Zu diesem Anlass wollte Haarmann ein Denkmal stiften, welches der Verschönerung dienen sollte. Dabei ist es unerlässlich zu bemerken, dass sich das Denkmal also nicht auf das Unglück bezieht, sondern der Vorsatz es zu bauen ein ganz anderer war.

Der Künstler des Haarmannsbrunnen ist Adolf Graef (1862-1941). Er war bereits 1904 durch den Dürerbund mit einer Ausstellung bekannt geworden. Aus diesem Grund hielt er einen Vortrag, der mit „Die Skulpturen in der Werkstatt“ betitelt und in den Zeitungen eingehend besprochen wurde. Der Vortrag wurde von 300 Leuten besucht. Haarmann wollte also, dass ein Bergarbeiter dargestellt wird, der Freude an seiner Arbeit hat. Aus privaten Briefen in Graefes Nachlass ist ebenfalls zu entnehmen, dass er sich einen Bergmann vorstellte, der das Wasser aus einer Flözwand anbohrt. Haarmann und Graef haben sich offenbar geeinigt. An dieser Stelle kann man sich fragen, ob Haarmann nicht auch sich selbst darstellen wollte, da er, um sein Studium zu finanzieren, selbst auch als Bergarbeiter tätig war. Eine bronzene Arbeiterfigur öffentlich aufzustellen war seinerzeit mehr als unüblich. Das Eisengießerdenkmal in Dortmund (auch ein Brunnen) einer der wenigen bekannten Vorläufer der Arbeit von Graef. Ein Arbeiterdenkmal - oder abgeschwächt - ein Arbeiterdenkmalsbrunnen war eine echtes Novum in Deuschland. Graef modellierte die Figur in seinem Atelier in Berlin – Charlottenburg. Sein Aufenthalt bei Auguste Rodin um 1900 hat ihn bei diesem Werk vermutlich sehr beeinflusst. Der Architekt des Denkmals, Hartmann, war 8 Jahre unter Baurat Lehmann am Stadtbauamt tätig. Der Jugendstil in den damaligen Neubauten war vor allem sein Verdienst. Das sieht man auch wenn man den Brunnen genauer betrachtet. Die Figur passt nicht zum übrigen Stil. Deshalb liegt der Verdacht nahe, dass Graef nur die Figur gemacht hat und Hartmann die Anlage um den Brunnen herum.
Bei der Einweihung des Brunnens ist das Unglück am Piesberg mit keinem Wort erwähnt worden, das ärgerte Pastor Friedrich Grußendorf. Für ihn stand das Denkmal für „die Gefallenen auf dem Schlachtfeld der Arbeit“. Die Tagespresse äußerte sich folgendermaßen: „Ein Charakteristischer Vertreter der kernigen Bevölkerung unseres Heimatlandes“.

Eigentlich blieb der Haarmannsbrunnen nur zufällig erhalten: Von den Nationalsozialisten wurde er zunächst geehrt, im zweiten Weltkrieg wurde die Figur jedoch demontiert und zum Altmetall gegeben. 1949 entdeckte eine Osnabrückerin wieder durch einen Zufall die Bronzestatue unter anderen Figuren auf dem Sammelplatz einer Altmetallschmelze. Das Denkmal wurde von der Stadt 1949 wieder zurückgekauft und montiert.  Im Jahre 1980 wurde der Haarmannsbrunnen Osnabrück aufwendig renoviert.

Eine Befragung von Passanten unterschiedlichster Altersgruppen am Haarmannsbrunnen hat ergeben, dass ziemlich viele eigentlich gar nichts mit dem Brunnen anfangen können. Einige wussten, dass es sich um ein Arbeiterdenkmal handelt. Andere haben damit nur einen Treffpunkt in Verbindung gebracht. Auf die Frage, ob der Brunnen nun schön sei oder nicht, gab es auch keine einheitliche Meinung. Einige finden ihn schön, andere wiederum nicht. Dass der Haarmannsbrunnen aber zu Osnabrück gehört, darüber waren sich alle einig.

Nach unserem Referat zu dem Brunnen beschäftigte sich das Seminar ERINNERN UND VERGESSEN mit der Frage, welche Strategien man entwickeln könnte, konkret an diesem Denkmal, sein Vergessen - sein Übersehen werden verhindern zu können, bzw. welche Gestaltungsmöglichkeiten der Brunnen noch bietet, um ihn in den Köpfen der Menschen wieder präsent zu machen. 


Einige Studenten warfen die Frage auf, warum die Terrassenanlage hinter dem Brunnen, zum Beispiel nicht mit Stühlen, Tischen oder Bänken ausgestattet sei, um den Treffpunktcharakter auszubauen. 

Inwiefern ein Kaffebetrieb etwa dann die "Kultur", das Denkmal oder den Erinnerungscharakter allerdings verändert oder sogar beschädigt und dadurch dann Graefs Bergmann nicht zweitrangig werde, wurde diskutiert. 

Ein weiterer Vorschlag war, die Örtlichkeit für die Osnabrücker Kulturnacht zu nutzen. Gebrauchsspuren von reger Nutzung des Brunnes liegen vor - und müssen beständig beseitigt werden. Augenzeugen haben dort bereits Badende gesichtet. Der Brunnenrand ist Sitzfläche und Treffpunkt - von den Terrassen der Wallanlage im Schatten des Denkmal vertrieben wir durch unseren Seminarbetrieb ein Liebespaar.

Denkmalspflaster, am 15. Mai 2013


Was aber könnte man dort zur Kulturnacht veranstalten? 


Auf den Terassen hinter der Brunnenanlage? 

Vor dem Bergmann? 

Zur Geschichte des Brunnens?





Sophia Prasse und Lena Brüner
für ERINNERN UND VERGESSEN







Quellen zu diesem Artikel sind in der Regel verlinkt. Für diese Arbeit wurder darüber hinaus ein didaktischer Schülervortrag auf Youtube verwendet, sowie:
Lindemann, Ilsetraut: In Erz gegossen In Stein gehauen Osnabrücker Denkmäler. Bramsche: Rasch Verlag, 1982.

2 Kommentare:

  1. Bezüglich der Kulturnacht haben wir uns mit dem Kulturamt-Projektbüro in Verbindung gesetzt, mit dem Ziel zunächst einmal ein paar Informationen einzuholen, von denen wir uns dann Ideen zur Einbindung des Brunnens versprachen. Uns wurde mitgeteilt, dass die Kulturnacht (welche dieses Jahr zum 13. Mal stattfinde) eine Veranstaltung für Jung und Alt sei und nicht selten länger als 24:00 Uhr gehe.
    Künstlerinnen und Künstler, Museen, Kulturzentren, Kirchen, Theater, Initiativen und Vereine präsentieren anhand von über 100 Programmpunkten an knapp 56 Veranstaltungsorten den Besuchern und Besucherinnen der Osnabrücker Kulturnacht einen Überblick über die vielschichtige Kulturszene der Stadt. Das bunte Straßenkulturprogramm und die kulturellen und kulinarischen Angebote vieler teilnehmender Einzelhändler runden das Programm ab. Die diesjährige Kulturnacht finde zum 13. Mal statt und stehe unter dem Thema „Friedrich Vordemberge-Gildewart“, anlässlich seines 50. jährigen Todestags.
    (Lena & Sophia)

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    1. Besonders würde sich, um den Abend ausklingen zu lassen und das Gesehene nochmal Revue passieren zu lassen, die Terrasse hinter dem Haarmannsbrunnen eignen. Um auf den Brunnen aufmerksam zu machen, könnte man ihn mit bunten Lichtern beleuchten. Ebenso die Treppen, die dann zu der Terrasse führen. Dort könnte man Tische und Stühle aufstellen und Getränke ausschenken. Durch die Geräusche des Wassers wäre die Stimmung beruhigend und weil man hinter dem Brunnen sitzen würde, könnte man sich trotzdem noch gut unterhalten, da der Geräuschpegel nicht so hoch wäre, wie vor dem Brunnen. Das würde insgesamt auch nochmal den Treffpunkt-Charakter des Brunnens unterstreichen.

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