Dienstag, 30. April 2013

Über Namen stolpern...


In über 500 Orten Deutschlands und in mehreren Ländern Europas, wie Österreich, Ungarn und den Niederlanden sieht man sie mittlerweile: in den Bürgersteig eingelassene Stolpersteine.  Aus einem  Beitrag, Anfang der 90er Jahre in Köln, anlässlich der Kunstaktion Mai 1940 - 1000 Roma und Sinti, entstand ein riesiges und doch nie zu vollendendes Kunstwerk für die Denkmalskultur.
Bald gibt es 40.000 Stolpersteine, die in den Boden vor ehemaligen Wohnungen und Häusern von Todesopfern des nationalsozialistischen Regimes eingelassen worden sind. Was viele nicht wissen ist, dass nicht nur konkreten Schicksalen von Juden ein Denkmal gesetzt wird, sondern genauso Sinti, Roma, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und Kommunisten.

Die Stolpersteine sind Betonsteine auf die eine Messingplatte geschlagen wurde, die wiederum eine handgravierte Inschrift trägt: Hier wohnte [Name], Geburtsjahr, gegebenenfalls Deportationsjahr und Todesort. So sollen konkrete Schicksale an Einzelpersonen illustriert, und die Vergangenheit veranschaulicht werden. Durch das Bücken des Fußgängers, der auf ein solch ungewöhnliches Denkmal stößt, verbeugt sich dieser symbolisch vor den Opfern.
So hat es sich jedenfalls Gunter Demnig, der Künstler der die Stolpersteine erfunden hat, gedacht. Gunter Demnig wurde 1947 geboren und studierte Kunstpädagogik und freie Kunst in Berlin und Kassel. Bevor er sich 1985 in Köln niedergelassen und ein Atelier eröffnet hat, machte Demnig ein Staatsexamen für das Lehramt.
Vielleicht kommt es daher, dass das künstlerische Konzept der Stolpersteine einen didaktischen Aspekt aufweist. Damit ein Stolperstein eingesetzt wird, muss eine Stadt, Kommune oder eine Privatperson dies initiieren, indem sie eine sogenannte Patenschaft für einen Stolperstein, sowie die Kosten in Höhe von 120 Euro, übernimmt. Dann setzt Gunter Demnig, der mittlerweile eine Handvoll Mitarbeiter für die Realisierung des Projektes einsetzt, wenn möglich persönlich den handbeschlagenen Stolperstein ein.
Dieses Prinzip der Partizipation führt zu einer Demokratisierung der Denkmalsstruktur, wodurch sie sich von den meisten anderen staatlichen Denkmälern abheben.
Die Demokratisierung bezieht sich allerdings nur auf die Städte bzw. Kommunen in der die Verlegung erlaubt ist. Verschiedene Städte, wie beispielsweise München, haben sich gegen die Verlegung von Stolpersteinen entschieden. Sie beziehen sich in ihrer Argumentation auf Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland. Laut Knobloch werden die Opfer des Holocaust missachtet und durch die Stolpersteine sprichwörtlich mit Füßen getreten.
Trotzdem die Stolpersteine zahlreiche Preise bekommen haben, kam es 2010 zu einem interessanten Gutachten von Seiten des Kölner Finanzamtes. Dieses beantragte einen Steuersatz von nicht mehr 7% für Kunstwerke, sondern einen Satz von 19% und forderte diesbezüglich eine Nachzahlung in Höhe von 150.000 Euro. Der Grund dafür war, dass die Stolpersteine kein Kunstwerk mehr seien, da es inzwischen zu viele geworden sind. Stolpersteine seien lediglich Hinweisschilder aus Blech. Durch Entschluss des Nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans wurde der Antrag abgelehnt, sodass es bei den 7% blieb.
Die Kontroversität der Stolpersteine macht sich auch bemerkbar, wenn man Passanten auf den Straßen befragt. Zwar wissen fast alle was die Stolpersteine sind und wofür sie stehen, aber die Meinungen über sie gehen deutlich auseinander. Die meisten finden das Projekt gut. Dass jeder mitmachen kann und das Projekt so immer weitreichender wird, dass Lehrer mit ihren Schulklassen abstraktes Wissen der Holocaust-Geschichte konkret machen können, indem sie zusammen eine Patenschaft übernehmen und dass in Einbeziehung des Alltags an die Opfer erinnert wird, sind Aspekte, die den meisten Befragten positiv aufgefallen sind.  Dagegen steht die Meinung derer, die den Stolpersteinen nichts oder nur wenig Positives abgewinnen können, da sie beispielsweise  finden, dass es "langsam mal genug ist. Dass die Stolpersteine ja quasi überall sind und man die Geschichte mal Geschichte seien lassen soll und nicht auf dem Weg zum Einkaufen gezwungen ist, sich mit der Frage der Schuld der Verbliebenen auseinanderzusetzen."
Ob Ablehnung oder Zustimmung, die Stolpersteine sind eine ganz besondere Art von Denkmal. Zum einen, weil die Integration des Denkmals in den Bürgersteig dazu führt, dass eine Auseinandersetzung im Alltag stattfindet. Zum anderen fällt die partizipative Strategie des Künstlers ins Gewicht. Weil sich potentiell jeder dazu aufgerufen fühlen kann, einen „eigenen“ Gedenk-Stolperstein zu setzten (und zu finanzieren), ist nicht mehr ein König, Kaiser oder ein Staat der Auftraggeber, sondern alle privaten Bürger können dies sein.
Nur eine Frage steht noch offen: Lieber Herr Demnig, warum befindet sich auf der Titelseite ihrer Homepage www.stolpersteine.com ihr Name an der Stelle auf dem Stolperstein, wo sonst der Name der Opfer eingraviert ist. Sie sind doch gar kein Opfer des NS-Regimes, und um die sollte es doch hier gehen, oder?

Maren Lioba Hammermann
Seminarbeitrag - Stolpersteine im Blog
für Erinnern und Vergessen
Universtität Osnabrück, Fach Kunst


4 Kommentare:

  1. Vielleicht hat ja jemand Zeit, es werden am Mittwoch neue Stolpersteine verlegt.
    http://www.noz.de/lokales/72055179/osnabrueck-33-neue-stolpersteine-erinnern-an-nazi-opfer

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  2. Ich habe die Frage, warum auf der Titelseite der Homepage www.stolpersteine.com ein Stolperstein mit dem Namen des Künstlers zu sehen ist, obwohl die Inschrift der Stolpersteine den Opfern des NS-Regimes vorbehalten sein müsste, per email direkt an Herrn Demnig gerichtet. Gunter Demnig selbst hat auch schnell geantwortet. Diese Antwort bestand lediglich in der Frage, ob ich seinen Text nicht gelesen hätte.

    Vielleicht hätte er lieber gar nicht antworten sollen...

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  3. http://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/159663/beamte-machten-beute-fur-den-ns-staat

    Am Mittwoch den 25. werden laut Artikel auch nochmal Stolpersteine verlegt!

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  4. Demnächst in Warendorf...
    http://www.radiowaf.de/nachrichten/waf/detail-ansicht/article/-e10994c681.html

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