In über 500 Orten Deutschlands und in mehreren Ländern
Europas, wie Österreich, Ungarn und den Niederlanden sieht man sie
mittlerweile: in den Bürgersteig eingelassene Stolpersteine. Aus einem Beitrag, Anfang der 90er
Jahre in Köln, anlässlich der Kunstaktion Mai 1940 - 1000 Roma und Sinti,
entstand ein riesiges und doch nie zu vollendendes Kunstwerk für die Denkmalskultur.
Bald gibt es 40.000 Stolpersteine, die in den Boden vor
ehemaligen Wohnungen und Häusern von Todesopfern des nationalsozialistischen
Regimes eingelassen worden sind. Was viele nicht wissen ist, dass nicht nur
konkreten Schicksalen von Juden ein Denkmal gesetzt wird, sondern genauso
Sinti, Roma, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und Kommunisten.
Die Stolpersteine sind Betonsteine auf die eine
Messingplatte geschlagen wurde, die wiederum eine handgravierte Inschrift
trägt: Hier wohnte [Name], Geburtsjahr, gegebenenfalls Deportationsjahr und
Todesort. So sollen konkrete Schicksale an Einzelpersonen illustriert, und die
Vergangenheit veranschaulicht werden. Durch das Bücken des Fußgängers, der auf
ein solch ungewöhnliches Denkmal stößt, verbeugt sich dieser symbolisch vor den
Opfern.
So hat es sich jedenfalls Gunter Demnig, der Künstler der
die Stolpersteine erfunden hat, gedacht. Gunter Demnig wurde 1947 geboren und studierte
Kunstpädagogik und freie Kunst in Berlin und Kassel. Bevor er sich 1985 in Köln
niedergelassen und ein Atelier eröffnet hat, machte Demnig ein Staatsexamen für
das Lehramt.
Vielleicht kommt es daher, dass das künstlerische Konzept
der Stolpersteine einen didaktischen Aspekt aufweist. Damit ein Stolperstein
eingesetzt wird, muss eine Stadt, Kommune oder eine Privatperson dies
initiieren, indem sie eine sogenannte Patenschaft für einen Stolperstein, sowie
die Kosten in Höhe von 120 Euro, übernimmt. Dann setzt Gunter Demnig, der mittlerweile
eine Handvoll Mitarbeiter für die Realisierung des Projektes einsetzt, wenn
möglich persönlich den handbeschlagenen Stolperstein ein.
Dieses Prinzip der Partizipation führt zu einer Demokratisierung
der Denkmalsstruktur, wodurch sie sich von den meisten anderen staatlichen Denkmälern
abheben.
Die Demokratisierung bezieht sich allerdings nur auf die
Städte bzw. Kommunen in der die Verlegung erlaubt ist. Verschiedene Städte, wie
beispielsweise München, haben sich gegen die Verlegung von Stolpersteinen
entschieden. Sie beziehen sich in ihrer Argumentation auf Charlotte Knobloch,
die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland. Laut Knobloch werden
die Opfer des Holocaust missachtet und durch die Stolpersteine sprichwörtlich mit Füßen getreten.
Trotzdem die Stolpersteine zahlreiche Preise bekommen haben,
kam es 2010 zu einem interessanten Gutachten von Seiten des Kölner Finanzamtes.
Dieses beantragte einen Steuersatz von nicht mehr 7% für Kunstwerke, sondern einen
Satz von 19% und forderte diesbezüglich eine Nachzahlung in Höhe von 150.000
Euro. Der Grund dafür war, dass die Stolpersteine kein Kunstwerk mehr seien, da
es inzwischen zu viele geworden sind. Stolpersteine seien lediglich Hinweisschilder aus Blech. Durch Entschluss des Nordrhein-westfälischen
Finanzministers Norbert Walter-Borjans wurde der Antrag abgelehnt, sodass es
bei den 7% blieb.
Die Kontroversität der Stolpersteine macht sich auch
bemerkbar, wenn man Passanten auf den Straßen befragt. Zwar wissen fast alle
was die Stolpersteine sind und wofür sie stehen, aber die Meinungen über sie
gehen deutlich auseinander. Die meisten finden das Projekt gut. Dass jeder
mitmachen kann und das Projekt so immer weitreichender wird, dass Lehrer mit
ihren Schulklassen abstraktes Wissen der Holocaust-Geschichte konkret machen
können, indem sie zusammen eine Patenschaft übernehmen und dass in Einbeziehung
des Alltags an die Opfer erinnert wird, sind Aspekte, die den meisten Befragten
positiv aufgefallen sind. Dagegen steht
die Meinung derer, die den Stolpersteinen nichts oder nur wenig Positives
abgewinnen können, da sie beispielsweise
finden, dass es "langsam mal genug ist. Dass die Stolpersteine ja
quasi überall sind und man die Geschichte mal Geschichte seien lassen soll und
nicht auf dem Weg zum Einkaufen gezwungen ist, sich mit der Frage der Schuld
der Verbliebenen auseinanderzusetzen."
Ob Ablehnung oder Zustimmung, die Stolpersteine sind eine
ganz besondere Art von Denkmal. Zum einen, weil die Integration des Denkmals in
den Bürgersteig dazu führt, dass eine Auseinandersetzung im Alltag stattfindet.
Zum anderen fällt die partizipative Strategie des
Künstlers ins Gewicht. Weil sich potentiell jeder dazu aufgerufen fühlen kann,
einen „eigenen“ Gedenk-Stolperstein zu setzten (und zu finanzieren), ist nicht
mehr ein König, Kaiser oder ein Staat der Auftraggeber, sondern alle privaten
Bürger können dies sein.
Nur eine Frage steht noch offen: Lieber Herr Demnig, warum
befindet sich auf der Titelseite ihrer Homepage www.stolpersteine.com ihr Name
an der Stelle auf dem Stolperstein, wo sonst der Name der Opfer eingraviert
ist. Sie sind doch gar kein Opfer des NS-Regimes, und um die sollte es doch
hier gehen, oder?
Maren Lioba Hammermann
Seminarbeitrag - Stolpersteine im Blog
für Erinnern und Vergessen
Universtität Osnabrück, Fach Kunst
für Erinnern und Vergessen
Universtität Osnabrück, Fach Kunst
Vielleicht hat ja jemand Zeit, es werden am Mittwoch neue Stolpersteine verlegt.
AntwortenLöschenhttp://www.noz.de/lokales/72055179/osnabrueck-33-neue-stolpersteine-erinnern-an-nazi-opfer
Ich habe die Frage, warum auf der Titelseite der Homepage www.stolpersteine.com ein Stolperstein mit dem Namen des Künstlers zu sehen ist, obwohl die Inschrift der Stolpersteine den Opfern des NS-Regimes vorbehalten sein müsste, per email direkt an Herrn Demnig gerichtet. Gunter Demnig selbst hat auch schnell geantwortet. Diese Antwort bestand lediglich in der Frage, ob ich seinen Text nicht gelesen hätte.
AntwortenLöschenVielleicht hätte er lieber gar nicht antworten sollen...
http://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/159663/beamte-machten-beute-fur-den-ns-staat
AntwortenLöschenAm Mittwoch den 25. werden laut Artikel auch nochmal Stolpersteine verlegt!
Demnächst in Warendorf...
AntwortenLöschenhttp://www.radiowaf.de/nachrichten/waf/detail-ansicht/article/-e10994c681.html