Mittwoch, 29. Juni 2016

Streitfall: Löwenstarker Pudel oder pudeliger Löwe?

Abb. 1 Fremder...
Bilder, Fragen, Worte. Ein Seminarbericht von Stephanie Hüging.
Du hast aber einen komischen Namen!
Wieso heißt dieses berühmte Denkmal Osnabrücks nur „Löwenpudel“?  Vielleicht wegen der Ähnlichkeit mit dem kleinen flauschigen Schoßhündchen?

Abb. 2 Löwe vs. Pudel

Nein! Schuld ist eine bildhafte und einprägsame Sage, die sich die Osnabrücker ausgedacht haben, als sie keine Ahnung mehr hatten, an was dieses Denkmal erinnern soll.

Diese Sage aus der Zeit von Karl dem Großen kann aber nicht stimmen, da die Pudelzucht in Deutschland erst Ende des 19. Jh. begann. 
 
Der neue sagenhafte Name „Löwenpudel“ entstand durch das Vergessen der ursprünglichen Bedeutung des „Löwensteins“ als verehrtes Wahrzeichen des Gerichts. Daher will ich dem Löwenpudel gedenken und zumindest im begrenzten Rahmen des Seminars und des Blogs an ihn erinnern.
Was soll der Löwe da auf dem Domplatz?
Im Mittelalter ist der Löwe ein Zeichen der Gerichtsbarkeit. Dies gilt neben Braunschweig auch für Osnabrück, wo das „Gericht zum Löwen“ tagte. Der „Löwenpudel“ ist als „Gerichtslöwe“ Symbol der Macht und der Gerichtsbarkeit des Osnabrücker Bischofs gewesen 

Abb. 3 a und b Löwe auf Domplatz
Abb. 3b
Armer Löwenpudel - Freunde und Leid liegen in deinem Leben nah beieinander…
Doch das kulturelle Kurzzeit-gedächtnis hatte Folgen für den Steinlöwen. Ende des 18. Jh. während der frz. Besatzungszeit von Napoleon schlug ihm Hass entgegen und er sollte zerstört werden. 

Ein Bürger Osnabrücks stellte sich dem entgegen und rettete unseren Osnabrücker Löwen. Jedoch verwendete dieser Geschäftsmann die Löwenstatue wie ein Wachhündchen, das an die Kette gelegt sein Geschäft bewacht. So verließ das Denkmal seinen Platz und seine Funktion und wurde zum Firmenzeichen des Geschäfts „Meyer an der Löwenecke“.
Mitte des 19. Jh. vermissten die Bürger ihr Stadtdenkmal und der damalige Bürgermeister Stüve beschloss den Löwenpudel wieder aufstellen zu lassen. Der Löwe wurde als Denkmal rekonstruiert.
Ende des 19. Jh. begegnete der Löwenpudel einigen Bösewichtern, die ihn von seinem Thron stießen. Empörte Bürgerproteste ereiferten sich über diesen Frevel. Wie immer in solchen Fällen wurde die böse Jugend verteufelt. Ein Bürger forderte die öffentliche Zurschaustellung der Übeltäter auf dem leeren Podest gegen eine Gebühr, um davon die Wiederaufrichtung zu bezahlen.
Anfang des 20. Jh. wurde der geliebte Löwe für kurze Zeit wieder aufgerichtet. Sein schützender Blick über den Domplatz hielt allerdings nicht lange an. Der in Osnabrück häufig undichte Himmel tat sein Übriges und sorgte dafür, dass der begossene Pudel langsam aufweichte und in der Winterkälte rissig wurde. Wegen starker Verwitterung seines Sandsteins wurde er ausrangiert. Statt auf den Piesberg, der damals noch eine Müllkippe war, zu landen, erhielt er einen Ehrenplatz im Museum für Kulturgeschichte. Das Denkmal fehlte in der Öffentlichkeit, das nur im geschützten Ausstellungsraum zu sehen ist.


Abb. 4: Osnabrücker Notgeldschein - 2-Mark-Note

Mitte des 20. Jh. fehlte den Osnabrückern ihr Löwchen so sehr, dass sie ihn immer bei sich haben wollten. Sie druckten sein Abbild auf den 2-Mark Notgeldschein. Später stellten sie eine Kopie des Denkmals her und postierten sie wieder auf dem ursprünglichen Sockel. Das ursprüngliche Denkmal war wieder rekonstruiert.
Ende des 20. Jh. litt der Steinlöwe, wie viele andere Bauwerke, im zweiten Weltkrieg. Um sein Leid zu lindern pustete ein Restaurator über seine Wunden und legte seine heilenden Hände über ihn. Er sorgte für den Erhalt des Löwenpudels als mehr oder weniger beständiges Denkmal.
Denn Sandstein, auch wenn er aus Osnabrück stammt, hat eine geringe Halbwertszeit in unserer feuchten Tiefebene zwischen dem Wiehengebirge und Teuto. Dennoch hat der Löwenpudel alle Irrungen und Wirrungen der Geschichte überlebt, ohne sich wesentlich von seinem Platz weg zu bewegen. Und auch die wankelmütigen Osnabrücker, die sich noch nie entscheiden könnten, ob sie ihren Stadtlöwen lieben oder hassen sollen.

Ist der Löwenpudel ein alter Hut?
Diese Hassliebe spiegelt sich heute wieder in dem Umgang mit dem Löwenpudel als Stadtwahrzeichen. Einerseits wird das Löwchen als Touristik-Attraktion in den Himmel gelobt, verehrt und bestaunt. Andererseits macht man sich lustig über „komische Tier auf hoher Säule“ und stellt mannigfaltige Nachbildungen von ihm her um Kasse zu machen. Zum Popstar der Kunst hat es der Löwenpudel im Gegensatz zu seinem berühmten Konkurrenten, dem Braunschweiger Löwen, allerdings noch nicht gebracht. 

Abb. 5 Löwenpudel als Popart

Ist das weg oder kann das Kunst?
Obwohl einen Versuch ist es doch wert, oder? Der Löwenpudel kann doch durchaus in die Fußstapfen von Marylin Monroe und der berühmten Bohnendose von Andy Warhol treten. Diese Schuhe sind doch für eine Großstadt wie Osnabrück nicht zu groß, oder doch? Wie alles ist das Ansichtssache!
In Stein gehauen für die Ewigkeit als historisches Monument!
Auf jeden Fall ist der Löwenpudel das älteste Denkmal der Stadt. Wie bei einer Katze scheint unser Stadtlöwe unendliche Leben zu besitzen. Von vielen wissen wir heute jedoch Nichts mehr. Lediglich von dem Enkel auf dem aktuellen Domplatz, dem Vater im Museum (15. Jh.) und mindestens einem Großvater Löwen (13. Jh.), der als Vorlage für den Vater herhalten musste. Dieser ist aber wiederum eine Kopie des Urgroßvaters (Alter unbekannt). Leider fehlt uns ein Stammbaum der Familie „Löwenpudel zu Ossenbrügge“. Die Künstler sind ebenfalls unbekannt mit Ausnahme des aktuellen Löwen, den der Bildhauer Lukas Memken als Nachbildung des Vorgängers 1925 erschuf.
Dennoch hat der Löwenpudel historischen Wert als sogenanntes Rechtsaltertum, d.h. erkennbare Erscheinung des vergangenen Rechts. Der steinerne Löwe auf dem Domplatz erinnert an das Gogericht des Threcwitigaues, das ab 1225 bis ins 14. Jh. hinein für die Stadt Osnabrück zuständig war.

Gedenkaktion von Beginn an zum Scheitern verurteilt?!
Das ist vielleicht auch ein Grund für die wenigen Informationen über den Löwenpudel. Obwohl fast jeder Osnabrücker und natürlich die Touris der Stadtführungen ihn kennen, findet man meist nur ein oder zwei Sätze zu seiner Person in der Literatur. Dieser Tatbestand konnte mich aber nicht daran hindern zur nervigen Reporterin zu werden und an den üblichen Anlaufstellen für Denkmäler wie dem Denkmalsamt, Stadt- und Unibibliothek und dem Museum für Kulturgeschichte zu nerven. Liebes Servicepersonal, vielen Dank für Ihre Geduld und natürlich Ihre umfangreiche Hilfe ohne die mein Referat kläglich gescheitert wäre.

Meinen Vortrag am 19.01.2016 konnten nicht einmal die frostigen Wintertemperaturen von -4 °C verhindern. Nach kurzer Zeit mussten wir aber trotzdem vor dem eisigen Wind an der Domplatzecke fliehen, um dort nicht wie der Löwenpudel für immer festzufrieren. Dank dem Küster durften wir in die kleine weiße Kirche neben dem Dom, um bei annehmbaren Temperaturen und quasi mit göttlichem Segen, dem Löwenpudel abschließend zu gedenken und ihm ein Denkmal zu setzen. Vielen lieben Dank Herr Küster, das war die Rettung!


Stepahnie Hüging
im Seminar: Erinnern und Vergessen

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