Mittwoch, 29. Juni 2016

Etwas über Erde, Echos und Skulpturen

Kunst im öffentlichen Raum - Die Erdskulptur II von Hermann Pohlmann „Erdskulptur II“, „Echo“ oder „Gegen die Dominanz des Sichtbaren“ – füttert man mit diesen Schlagwörtern eine Internetsuchmaschine, so wird man stets die Arbeit des Künstlers Hermann Pohlmann finden. Pohlmanns Freiluftinstallation zeigt sich dem Betrachter im öffentlichen
Raum Osnabrücks an zwei Standorten; wobei nur den Wenigsten bewusst ist, dass es sich um ein zweiteiliges Kunstwerk handelt, welches sie sehen, wenn sie es denn überhaupt als Kunstwerk
wahrnehmen.
Ein Teil der „Erdskulptur II“ , so der Werktitel, offenbart sich auf dem Westerberg in Form von fünf massiven und naturbelassenen Sandsteinbrocken aus dem Ibbenbürener Steinbruch.

Die nebeneinander gereihten Stelen sind ca. vier Meter hoch, wiegen jeweils an die fünf Tonnen und sind kippsicher im Boden verankert. Das monumentale Steingebilde wurde 1989 errichtet und veränderte die räumliche Situation vor Ort, von den Passanten zum Teil als bereichernd zum Teil als störend empfunden. Mittlerweile sind 27 Jahre vergangen und die Felsnadeln, mit ihrem Umfeld verwachsen, machen den Eindruck, als wären sie schon immer da gewesen und ein Überbleibsel
längst vergangener Tage. Vielleicht ein Grund dafür, das die meisten Spaziergänger beim Anblick der Stelen eher an Stonehenge denken, als an das Werk eines Osnabrücker Künstlers.




Dieser Aspekt stört Pohlmann selber gar nicht, denn wenngleich die Sandsteine kaum zu übersehen sind, so hat er mit seiner Arbeit dennoch ein Werk geschaffen, welches trotz seiner Größe und
archaischen Anmutung mit seiner Umgebung verschmilzt anstatt sein Umfeld zu dominieren.
Diese Sichtweise bestärkt zudem die Aussage des Untertitels „Gegen die Dominanz des Sichtbaren“, in dessen Kontext die Skulptur während eines städtischen Kulturprojekts entstanden ist.
Die skulpturale Arbeit ist in einem langjährigen Entwicklungsprozess entstanden und fand ihre Umsetzung im Rahmen des Kultur-Sozial-Programms „Echo“, bei dem die beteiligten Künstler eine Arbeit in der Innenstadt und einen darauf antworteten Gegenpart auf einer Anhöhe
am Stadtrand realisieren sollten.
Mitte der 80er Jahre wurde das Projekt „Kunst in der Stadt“ (Kurz KIDS) vom Kulturamt in Osnabrück initiiert, wobei jedoch nicht der künstlerische Aspekt im Vordergrund stand, sondern verstärkt ein soziales Ziel verfolgt wurde. Im Zuge von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sollte das Projekt den Künstlern ein sicheres Einkommen garantieren, wenn auch nur temporär, und zum anderen sollte das „soziale & kulturelle Gefälle zwischen Innenstadt und Außenbezirk abgebaut werden.“
Wobei letzteres leider nicht das gewünschte Ergebnis nach sich zog, doch als eine Möglichkeit diente, die Problematik auf eine neue Weise sichtbar zu machen. Die Kunstwerke, auch wenn sie im Rahmen eines städtischen Programms entstanden sind, waren nicht darauf ausgelegt die allgemeine Zustimmung der Osnabrücker Bevölkerung zu erzielen.
Vielmehr stand es den Künstlern frei, die Arbeiten nach ihren persönlichen künstlerischen Interessen zu schaffen. Die Skulpturen die während des Projekts entstanden sind, sollten sich nicht dauerhaft im öffentlichen Raum Osnabrücks wiederfinden, Pohlmanns Werk jedoch wurde nach Projektablauf von der Stadt angekauft.
In einem Interview gegenüber der NOZ, erklärte der Künstler sein Gesamtkunstwerk mit den Worten: „Fünf Finger weisen nach oben & fünf nach unten“, wobei ihm das Fresko von dem ital. Maler Raffael in den Sinn kommt. Das Wandgemälde von 1510 zeigt die philosophische Denkschule der griechischen Antike und zentral positioniert den Philosophen Platon und seinen Schüler Aristoteles. 
Die vertikal erhobene Hand Platons soll die ideellen Prinzipien, an denen sich die sinnliche Welt orientiert, symbolisieren. (Inspiration) Wobei hingegen die horizontale Gebärde von Aristoteles auf eine ethische Organisation der Welt verweisen soll. (Ausgangspunkt der Naturwissenschaften).
Für Pohlmann gehören beide Aspekte zusammen. Der Analytische auf der einen Seite und die Wirkung, die aus dem Tun, aus dem Schaffensprozess heraus entsteht, auf der anderen Seite. Die
beschriebenen Gegensätze lassen sich in seiner Materialwahl deutlich wiederfinden. Denn die Sandsteine sind naturhaft und aufgrund ihrer nicht industriellen Verarbeitungsweise sprechen sie beim Betrachter eine emotionale Ebene an, wohingegen die industriell geschaffenen Stahlplatten mehr den analytischen Teil des Gehirns ansprechen.



Die stählernen Platten bilden das Gegenstück oder „das Echo“ zu den Stelen und lassen sich eingelassen in die Fahrbahndecke der Katharinenstraße 13-17 finden. Die fünf 1,80 m x 1,80 m großen Stahlplatten, von denen nur ein kleiner Teil sichtbar ist, sind in gleichmäßigen Abständen mittig im Straßenpflaster angeordnet und komplettieren die Installation „Erdskulptur II“.



Wie der Titel vielleicht schon vermuten lässt, gibt es ein weiteres, ein ähnliches Werk von Pohlmann an einem anderen Standort. Im selben Jahr (1989) wurde die Freiluftinstallation „Erdskulptur“ in
Borgholzhausen errichtet, allerdings mit dem Unterschied, dass das Gesamtwerk hier lediglich aus drei riesigen Steinen und drei Stahlplatten besteht und das Stahlplatten sowie Steinbrocken in sichtbarer Nähe zueinander stehen. Das die Distanz in Osnabrück um einiges größer ausfällt, ist dem Konzept des vorherrschenden städtischen Projekts geschuldet. Ein weiterer großer Unterschied zwischen den Skulpturen, abgesehen von der Anzahl der Elemente & ihrer Distanz zueinander, ist
der Einfall des Kulturvereins Borgholzhausen.
Da ein Kunstwerk nicht immer selbsterklärend ist oder sich dem Betrachter nicht auf den ersten Blick erschließt, hat sich der Kulturverein gedacht, dass zusätzliches Wissen von Nöten wäre und veranlasste das Aufstellen zwei erklärender Tafeln. Die Erklärung auf den Tafeln zeigt zusätzliche, vermeintliche Intentionen des Künstlers auf, wobei Pohlmann jedoch die Meinung zum Thema „Kunstvermittlung in Schilderform“ vertritt, dass man nicht mit Kausalitäten arbeiten und ein
Werk nicht in ein, zwei Sätzen beschreiben kann.
Kunstwerke sollen persönliche Gedanken und Gefühle beim Betrachter frei setzen können, ohne von vorgegebenen und aufdringlichen Erläuterungen richtungsweisend beeinflusst zu werden. Ganz im Sinne: „Gegen die Dominanz der Sichtbaren“.
Sandra Fulbrecht 

Quellenangaben im Text und:
http://www.osnabrueck.de/kunst-im-oeffentlichen-raum.html

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