Sonntag, 25. August 2013

Wie ein Mahnmal einen Krieg in der Friedensstadt auslöst

Ein Beitrag zum "Hexenwahn" von Axel Gundrum

Dass es bei der Wahl eines Denkmals nicht immer friedlich zugeht zeigt das Mahnmal „Hexenwahn“ von Axel Gundrum, einem Deutscher Maler, Grafiker und Bildhauer (*1953). Die Realisierung von Gundrums Gemälde hat Osnabrück sehr polarisiert. Viele Menschen bemängelten die historischen Ungenauigkeit des Werks. Die katholische Kirche wurde zunächst in den Entwürfen des Mahnmals „Hexenwahn“ als alleiniger Verursacher der Hexenverfolgung dargestellt, weil ein Kardinal auf einem Podest thront und das ganze Bildgeschehen zu beherrschen scheint, zu dem ein Dominikaner bei der Wasserprobe beteiligt ist und der Dom in der Silhouette des Stadtbildes am stärksten hervortritt. Darauf hin gab es viele öffentliche Diskussionen und Debatten, die den Zustand der katholischen Kirche als Prototyp der Unterdrückung nicht akzeptieren wollten.

Exkurs Hexenverfolgung in Osnabrück
Wie in der Geschichte der Hexenverfolgung, gab es auch in Osnabrück zwei große Wellen, die sich ebenfalls krisenbedingt ereigneten.
Zum einen 1583 bedingt durch Konfessionswirren und den damaligen Bürgermeister Hammacher, der für die missliche Lebenslage der Menschen (Epidemien, Ernteeinbußen, lange und harte Winter, Plagen und allgemeine Nöte) einen Sündenbock suchte, der es ihm ermöglichte weiter das Zutrauen des Volkes zu bekommen, um seine Position als Bürgermeister zu behalten.
Die zweite große Hexenverfolgungswelle brach 1636 über Osnabrück herein. Zu dieser Zeit waren die Zeiten erneut krisenhaft, jedoch sorgte vor allen Dingen ein Machtkampf zwischen den Bürgermeistern Modemann und Pelzer für die zunehmenden Hexenprozesse. Zudem wehrte sich Osnabrück durch die selbstständig durchgeführten Hexenprozesse gegen die schwedische Besatzungsmacht. Dadurch wird ersichtlich, dass nicht nur Krisen ein Auslöser für die zahlreichen Ermordungen von angeblichen Hexen waren, sondern auch konfessionelle und politische Absichten. Insgesamt wurden in Osnabrück 276 Frauen und 2 Männer als Hexen angeklagt und hingerichtet.

Auch der Standort des Werkes, der eigentlich die Pestalozzischule sein sollte, wurde von dem damaligen Direktor abgelehnt.



(Historische Zeitungsausschnitte, NOZ, Kirche vor Ort, NOZ)

1987 wurde Osnabrück durch eine Mehrheitsregierung der CDU und FDP regiert und aus der Tatsache heraus, dass die Realisierung des Gemäldes innerhalb des Projekts „Kunst in der Stadt“ (KidS, ein Osnabrücker Projekt von 1984- 89 zur Gestaltung öffentlicher Räume) von statten gehen sollte, hatte die Politik das endgültige Entscheidungsrecht. Grundsätzlich war die CDU/ FDP- Regierung sehr zurückhaltend gegenüber dem Gemälde eingestellt, auch nachdem Gundrum einen evangelischen Geistlichen in den Entwurf einarbeitete und das Rathaus in das Stadtbild im Hintergrund einfügte.

Um bei der Entscheidungsfindung voran zu kommen und um auch die historischen Fragen zu klären, wurde 1987 im Haus Ohrbeck eine Tagung mit Kirchenhistorikern veranstaltet. Dabei zeigte sich durch wissenschaftliche Forschungsergebnisse, dass sowohl die katholische Kirche, als auch die evangelische Kirche die Hexenverfolgung initiierten. Aber und vor allen Dingen, hatte die Stadt und der Rat Osnabrück eine erhebliche Beteiligung an den Verfolgungen und Hinrichtungen.
Nachdem diese historischen Informationen bekannt waren, wurde aus der einstigen Zurückhaltung der CDU und FDP eine starke Ablehnung und der Entwurf des Mahnmals wurde mit einer Ratsmehrheit der CDU und FDP abgelehnt. Die FDP lehnte jedoch nur ab, weil sie sich in einem Koalitionsvertrag mit der CDU befand und diese sie unter Druck gesetzt hatte diesen aufzulösen, wenn sie sich für das Gemälde aussprächen.
1991 kam es zu einem politischen Wechsel. Die SPD und die Grünen stellten fortan die Ratsmehrheit und bildeten eine Zählgemeinschaft.

Anlässlich der 350-Jahr-Feier zum Westfälischen Frieden 1998 brachte Gundrum sein Bild wieder in Erinnerung. Im zweiten Versuch wurde sich dem Projekt nun angenommen. Die Begründung der Grünen für das Werk war, dass das Bild hochaktuell sei und nicht eine historische Wahrheit sondern eine Mahnung darstelle. Die SPD begrüßte die Veränderungen die am Bild vorgenommen wurden und sah keine Gründe das Bild abzulehnen. Die CDU lehnte das Bild wiederholt strikt ab. Die FDP, die 11 Jahre zuvor noch eine neutrale Haltung hatte wurde nun am drastischsten: sie verglich das Werk sogar mit Karikaturen aus dem Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“. Im Folgenden wurde die finanzielle Förderung, die sich auch aus Steuergeldern zusammensetzte, diskutiert. Immer mehr Kritiker äußerten sich in offenen Leserbriefen und das Thema wurde in den Medien breitgetreten. Auch die SPD wurde nachdenklicher, jedoch hatte sich das Ganze mittlerweile zu einem Frauenprojekt gewandelt, das in den Händen der feministischen Kräfte innerhalb der Partei lag. Über die Wahrheit wurde nun die Ideologie gesetzt.

Zur Einweihung kam es trotz aller feindlichen Strömungen am 25. Juni 1999. Während dieser versuchte der Oberbürgermeister von Osnabrück die Situation zu entschärfen. Jedoch mag man sich ebenso wie der anwesende Künstler nach den ganzen politischen Auseinandersetzung fragen: Ging es wirklich nur noch um die Schuldfrage der katholischen Kirche oder wurde das Bild nicht vielmehr für politische Zwecke instrumentalisiert?
Franziskaner vor Scheiterhaufen mit Hexe

Was für ein Werk löst solche Streitigkeiten aus?
In der Bildmitte wird der Betrachter mit einem noch nicht brennenden Scheiterhaufen konfrontiert, auf dem sich eine angebliche „Hexe“ befindet. Davor steht ein Mensch, der als Franziskaner zu identifizieren ist. Seine Haltung deutet an, dass er dabei ist mit einem Kreuz auf die „Hexe“ einzuschlagen.

Links daneben thront ein Kardinal auf einem verzierten Podest. Seine Hände ruhen in seinem Schoß. Sein Blick ist geradeaus gerichtet, so dass er der Scheiterhaufenszenerie keinerlei Beachtung schenkt.
Vor dem Podest ist eine Menschengruppe abgebildet, die dabei ist eine so genannte „Wasserprobe mit kaltem Wasser“ durchzuführen. Eine Wasserprobe war innerhalb der Hexenverfolgung eine Methode um festzustellen, ob eine angeklagte Person eine Hexe war oder nicht. Ihre Beine und Arme wurden über kreuz gefesselt und sie wurde in ein Gewässer geworfen. Trieb die Person auf dem Wasser galt dies als Beweis der Hexerei und die Person wurde verurteilt und hingerichtet. Sank die Person auf den Boden des Gewässers, war die Person unschuldig und wurde aus dem Wasser hinaufgezogen.

Oft kam diese Hilfe jedoch zu spät und die Angeklagten ertranken. Innerhalb der Gruppe, die diese Wasserprobe durchführt sind unter anderem ein Dominikaner und, dahinter verdeckt, ein evangelischer Geistlicher zu erkennen (weißer Kragen).

Rechts neben der Scheiterhaufenszene sind einige Personen auszumachen, die die ländliche Bevölkerung darstellen sollen. Ein Mann dieser Landbevölkerung scheint sichtlich unter der androhenden Verbrennung zu leiden, indem er auf dem Boden kauert und fleht. Eine Person der etwas unbeteiligter erscheinenden Landbevölkerung dreht sich zu dem Betrachter um und zeigt mit dem Finger auf ihn, was einer Art Anklage gleich kommt. Frei nach dem Motto „Vielleicht bist du der nächste Angeklagte dieser willkürlichen Tötungsmaschinerie!“

Im Hintergrund links ist ein Arzt oder Helfer bei der Pest zu erkennen. Er trägt eine schnabelförmige Pestmaske und schiebt einen Karren vor sich her. Hinter der ganzen Szenerie erstreckt sich die Silhouette der Stadt Osnabrück, wobei das Rathaus und der Dom zu erkennen sind. Der Dom sticht allerdings stärker hervor als das Rathaus. Im Vordergrund des Wandbildes zeigt sich, dass sich die ganze Szenerie auf einer Art Bühne erstreckt. Vor dieser Bühne befinden sich Felix Nussbaum und eine dunkelhäutige Frau mit Kopftuch.


Axel Gundrum konstruiert seine Werke auch aus Bildzitaten. Im Bühnengraben des Hauptbildes greift er das „Selbstbildnis mit Judenpass“ des Osnabrücker Malers Felix Nussbaum auf. Dieser wurde 1904 geboren und 1944 aufgrund seiner jüdischen Konfession von den Nationalsozialisten in Auschwitz ermordet. Der Bezug zu Nussbaum in Verbindung mit dem Treiben der Hexenverbrennung legt nahe, dass die katholische Kirche auch an der Verfolgung der Juden mitschuldig sei.

Bei dem rechten Nebenwerk wird die Montage noch deutlicher. Den Hintergrund bildet der Straßenzug aus „Die Verdammten“ von Felix Nussbaum, einem Gemälde, das die Hoffnungslosigkeit des unentrinnbaren Todes demonstriert. Zudem wird das einem Brandanschlag zum Opfer fallende Haus aus Solingen eingebaut. Bei der Tat mit rechtsextremem Hintergrund kamen fünf Menschen einer Familie mit türkischer Abstammung ums Leben. Der düstere Hintergrund wird somit aus Verbindungen zu den beiden Figuren im Bühnengraben des Hauptwerkes gebildet. Im Vordergrund befindet sich eine Figurengruppe, bei der die beiden Äußeren die zentrale Figur, in der Darstellung Jesu, verspotten. Der Trikotträger an der linken Seite steht für die politische Rechte und die im Aerobicdress gekleidete Frau für die „oberflächliche Modetussy“. Alle drei werden von einem vorher laufenden Kameramann gefilmt.

Der Übergang von Vergangenheit und Gegenwart stellt die Zeitschleifen dar, die bis in die Zukunft reichen und aufzeigen, dass es Verfolgung und Intoleranz auch heute noch gibt.

Beide Bilder wurden in der Stilrichtung des Realismus in der Tradition von Otto Dix und George Grosz gemalt. Viele Kritiker empfinden dies als Propaganda, da sie der Meinung sind, ihnen würde die Antwort auf die Frage nach den Übeltätern vorgegeben. Liefert das Bild also fertige Klischees und lässt keinen Raum für eigene Auseinandersetzungen?

Gundrum wollte eine gesellschaftspolitische und kritische Position beziehen und war der Meinung die Distanz zu den geschichtlichen Hintergründen sei mittlerweile ausreichend. An das Bild dürfe nicht ,die Frage der historischen Wahrheit gestellt werden“ , sondern wichtiger seien „die Verbindungen zu heutigen Formen der Diskriminierung“. Aus diesem Grund sollte man „Hexenwahn“ eher als eine Art „Passionsspiel“ begreifen, das Zeit übergreifend gültig ist.
Normalerweise profitieren Städte durch das Marketing von Kunst im öffentlichen Raum. Allerdings zeichnete sich durch das polarisierende Werk schon früh eine Tabuisierung ab. Bei den jährlichen Stadtrundgängen zum Thema „Hexenverbrennung“ werden die Bilder Gundrums bis heute nicht beachtet, wenn nicht sogar absichtlich ausgeschlossen. Dabei könnten sie den Höhepunkt des Rundgangs bilden.

Teresa Heilen, Katharina Glose und Bianca Tiemann
für ERINNERN UND VERGESSEN

Quellen: Sekundärliteratur: Kuropka, Joachim (Hg.): Regionale Geschichtskultur: Phänomene- Projekte- Probleme aus Niedersachsen, Westfalen, Tschechien, Lettland, Ungran, Rumänien und Polen. Münster: Lit Verlag, 2010.

Internetquellen im Fließtext
+ als Exkurs eine amtliche Vorlage der Stadt Osnabrück (Vorlage - VO/2013/2133)
zur Rehabilitierung der verfolgten und ermordeten Hexen aus dem Jahre 2013.

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Mit Beschluss des Rates der Stadt Osnabrück vom 30.07.2012 wurde die Verwaltung gebeten, Vorschläge für ein angemessenes Gedenken an die als Hexen verfolgten und hingerichteten Osnabrücker Bürgerinnen und Bürger zu machen, um damit einen Beitrag zur Wiederherstellung ihrer Ehre zu leisten.

5 Kommentare:

  1. Das Gemälde "Hexenwahn" erweckt einen unverzerrten EIndruck über gesellschaftliche Zustände im 16. und 17. Jahrhundert. Die dadurch erzeugte, religiöse und politische Provokation, die einen über Jahre andauernde Aufruhr und Diskussion nach sich zog, unterstreicht meiner Meinung nach die Eignung des Kunstwerkes als "Denkmahl".

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  2. Zunächst einmal vielen Dank für das obige Gesamtprojekt und die knappe aber konzise Einführung in diese typisch deutsche Malaise! Hier ein paar Anmerkungen:

    Der Umgang und der jahrzehntelange Streit um Axel Gudrums als Mahnmal konzipierte Gemälde 'Hexenwahn' ist nicht nur für Osnabrück als städtischen Erinnerungsraum, sondern gleichfalls auch für die Irrungen und Wirkungen der Erinnerungskultur auf gesamtgesellschaftlicher Ebene im Land der selbsternannten Weltmeister der 'Vergangenheitsbewältigung' symptomatisch.
    Während öffentliche Gedenken und Jubiläen insgesamt Hochkonjunktur haben, Jahrestage wie das Gemetzel der Leipziger Völkerschlacht mitunter hurrapatriotisch inszeniert und gefeiert werden, NS-Täter a lá Nico Hoffmann in TV-Großereignissen 'als Menschen' unter Zugzwang gezeigt, deutsche Leiden im Zweiten Weltkrieg ständig isoliert betont werden, geschieht mit unrühmlichen Ereignissen der deutschen Geschichte sonst vor allem eines: sie werden verschwiegen. Kommen sie doch auf die Agenda - wie in diesem Fall in den Strudel städtischer Erinnerungspolitik - so wird der betreffende Künstler als Nestbeschmutzer (oder, um beim Thema zu bleiben: Ketzer) denunziert. Besonders wenn, wie Gudrum es tut, sein Werk vergangene aus religiöser Intoleranz entstehende Verbrechen mit aktuellen Tendenzen verbindet. Zwar äußerte sich diese Gewalt in anderen Formen, folgte letztlich aber ganz ähnlichen Motiven. Hier scheint Gudrum das heutige liberaldemokratische Selbstverständnis zu Stören, wonach derlei Exzesse eben nicht aus der gesellschaftlichen 'Mitte' heraus entstehen, sondern durch wie auch immer geartete 'Extremisten'. Oder eben in finsteren, längst vergangenen Zeiten, die doch mit 'uns' heute nichts zu tun haben. FAlls doch waren es jedenfalls die anderen (hier: der Rat; Politiker halt). Dabei ist Osnabrück doch die Stadt des Westfälischen Friedens! Erinnerungskulturelle Ketzer überall!

    Und so geschieht es, dass ein Kunstwerk (!) dann auch schnell mit historischen Spitzfindigkeiten konfrontiert wird, als handele es sich um eine geschichtswissenschaftliche Spezialstudie zur Hexenverfolgung im Osnabrück des 17. Jahrhunderts.
    Doch statt eine genaue historische Rekonstruktion, die der Überlieferung folgt zu liefern, arbeitet Gudrum mit überzeitlichen Topoi und vielfältigen Verweisen und Anspielungen, die ein Panorama von Verfolgung und Gewalt durch Intoleranz in den städtischen Raum projiziert, welches das Gestern mit dem Heute in durchaus eindrucksvoller und in obigem Artikel präzis beschriebener Weise verbindet. Anscheinend ist den Osnabrücker/innen dies jedoch zu hell - oder sie wollen blind sein und bleiben. Was man nicht sieht, damit lässt es sich schwer auseinandersetzen, also - so tagt man sich von offizieller Seite - ab damit in die hinterste Ecke der Stadt. Dann müssen wir das Bild auch nicht den Touries erklären! [Fortsetzung im nächsten Kommentar]...

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  3. ...[Fortsetzung aus letztem Kommentar] Ob es nun die katholische Kirche allein war oder die Protestanten und der Stadtrat ist nicht zentral (das bestreitet doch auch niemand, diese Transferleistung müssen die Betrachter/innen erbringen; es ist ein Kunstwerk!): sie alle waren Christen, sie alle Teil des christlichen Abendlandes, des 'Westens' in dessen Namen auch weiterhin Fremde, aus religiösen, kulturellen, rassistischen, sozialen, sexuellen und sonstigen Gründen verfolgt und ausgegrenzt werden. Nebenbei: worin besteht die "Klischeehaftigkeit" und die "Beleidigung von Gläubigen", wenn das Bild (und das ist - außer anscheinend in Osnabrück - doch wohl unbestritten) grundsätzliche Verbrechen bzw. Beteiligungen an solchen von Seiten der katholischen Kirche thematisiert. Schmälert dies die Verbrechen anderer Akteure? Nein. Die katholische Kirche fungiert hier vielmehr als kulturhegemoniales Parsprototo dieser, unserer westlichen Welt (wovon auch und sogar Osnabrück ein Teil ist). Darüber hinaus gibt aus bildästhetischer Sicht der Katholizismus mehr her als irgendein provinzieller Stadtrat oder der dröge Protestantismus. Beide sind freilich auch Teil Deutschlands und des Westens insgesamt, eben dessen, was in heutigem Politiksprech als 'chrsitlich-jüdische (!) Tradition' weiterhin in ausgrenzender Absicht zusammengefasst wird.

    Ein für allemal festzuhalten ist schließlich jedoch folgendes: Die Bürger/innen der Stadt Osnabrück haben dieses Mahnmal nicht verdient, davon legt es in seiner derzeitigen Lage eindrucksvoll Zeugnis ab: statt sich den unzweifelhaft darin zu Hauf befindlichen Denkangeboten über aus Intoleranz entstehender Gewalt in unserer Geschichte und unserer Gegenwart zu stellen, wird das Bild in die hinterste Ecke der Stadt verbannt und mit kleingeistiger Ignoranz gestraft. Andererseits haben die Osnabrücker/innen dieses Mahnmal eben doch verdient, spiegelt sich in ihrem Umgang mir diesem doch nicht nur ihre fehlende Einsicht in das behandelte Sujet wider, sondern ist dieser Vorgang eben selbst ein Akt himmelschreiender Intoleranz: gegenüber der Kunst und gegenüber der eigenen Geschichte. Auch dafür kann man den "Hexenwahl" als Mahnmal betrachten. Wenn man es denn gefunden hat.

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  4. Ich kann Herrn Müller nur beipflichten. Gundrums Kunstwerk ist für viele Osnabrücker ein wunderbarer, selbstentlarvender Gratmesser den tausende Ersti-"Großstadtmacher"-Taschen überblenden: Sie sind provinziell.

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  5. Im Namen der Gruppe danken wir Ihnen für die umfassenden und detaillierten Kommentare. Wir selbst sehen das 'unter den Teppich kehren' von negativen Aspekten der Vergangenheit und das gegenseitige zuschieben von Schuldfragen von Kirche, Stadt und den Bürgern ebenfalls als sehr kritisch an. Sie haben mit Ihrer Ausführung Recht, dass es sich um ein Kunstwerk handelt, und somit auch durch die subjektive Sicht des Künstlers mit einem künstlerischen Ausdruck geprägt ist. Ein Kunstwerk ist kein Geschichtsbuch, das historische Fakten (über die in diesem Fall gestritten werden können) darlegt, vielmehr zeigt es durch Farbigkeiten und Pinselduktus künstlerische Empfindungen (nicht ohne Grund steht das Werk in der Tradition des Expressionismus). Zudem kann ein Kunstwerk durch jeden Betrachter subjektiv gedeutet werden, da jeder Einzelne das Abgebildete anders empfindet (dies ist auch im Video zu erkennen). Dass die Stadt Osnabrück sich dieser Diskussion durch die Lage des Werks entzieht, entspricht somit einer Angst vor unterschiedlichen Meinungen.

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