1999 entstand
erstmalig die Idee, eine Gedenktafel für die psychisch kranken Opfer des
Nationalsozialsozialismus der Pflegeanstalt Osnabrücks zu errichten.
Für die Erstellung wurde ein Kunstwettbewerb ausgeschrieben, aus dem Werner Kavermann als Sieger hervorging.
Werner
Kavermann wurde 1960 in Bad Rothenfelde geboren. Bevor er sein
Kunststudium an der Fachhochschule Hannover begann, machte eine
Ausbildung zum Reproduktionsfotografen in Osnabrück. Anschließend
studierte er Freie Kunst in Braunschweig und ist seit 1997 als
freischaffender Künstler in Osnabrück tätig.
Besonders
wichtig war Kavermann bei der Umsetzung seines Mahnmals, dass es in die
Umgebung eingepasst wird und diese nicht dominiert. Dieser Gedanke
resultiert aus der Tatsache, dass am Denkmalstandort sowohl das
Pflegepersonal als auch die Patienten des AMEOS Klinikums nahezu täglich
mit dem Mahnmal im Kontakt treten und selbst entscheiden sollen, ob sie
sich der Präsenz bewusst machen wollen, oder es lieber einfach umgehen.
Das Mahnmal soll also nicht zwingend von jedem intensiv betrachtet
werden, um den psychisch kranken Opfern des Nationalsozialismus zu
gedenken, sondern eher beiläufig wahrgenommen werden.
Interessant
war hier auch die Befragung einer Mitarbeiterin der Tagesklinik,
welche auf Nachfrage bezüglich der Wahrnehmung des Denkmals
antwortete, dass sie täglich am Mahnmal vorbeiginge, es aber
überhaupt nicht mehr wahrnehmen würde. Sie betrachtete die geringe
Größe des Mahnmals als negativ und war der Ansicht, dass ein
Mahnmal eines solchen Verbrechens verdient hätte.
Der Koordinator
der Tagesklinik war ähnlicher Ansicht und war ebenfalls der Meinung
dass eine größere Würdigung der Opfer der NS-Psychiatrie durchaus
angebracht gewesen wäre. Den Standort empfand er als passend, bedauerte
aber, dass das Mahnmal in Osnabrück relativ unbekannt sei und nicht sehr
viele Passanten (ausgenommen Pflegepersonal oder Patienten)
vorbeikämen. Er gab zu Bedenken, dass zur Zeit der Aufstellung noch ein
Café in der heutigen Tagesklinik ansässig war und daher wesentlich mehr
Laufkundschaft das Denkmal passierte.
Das Denkmal
besteht aus zwei quadratischen Säulen, welche ca. 80 cm hoch und 60 cm
breit sind. Sie bestehen aus Beton, welcher schon leichte
Verwitterungsmerkmale (grau-grüne Verfärbung) aufweist. Auf den beiden
Betonsäulen befindet sich das kleine Denkmal mit Gedenktafel, welche aus
Bronze angefertigt worden sind.
Die
linke Säule trägt das ca. 10 cm hohe Mahnmal, eine kleine Gruppe
von Menschen, welche den Blick nach außen gerichtet haben und ein
Außenstehender, welcher den Blick von der Gruppe abgewandt hat und
offensichtlich keinen näheren Kontakt zur Gruppe sucht.
„Ich bin ausgegrenzt, stigmatisiert, zwangssterilisiert, ermordet und vergessen. Zum Gedenken an die psychisch kranken Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Osnabrück.“
Das
Mahnmal soll also all denjenigen gedenken, die dem Konzept der
NS-Psychiatrie zum Opfer gefallen sind. Der Forschung ist es bis
heute nicht gelungen zu erfassen, um wie viele Opfer es sich genau
handelt, deutschlandweit werden sie auf 100.000 geschätzt.
Diese
Morde bezeichnet man auch als Euthanasie-Verbrechen. Euthanasie kommt
aus dem griechischen, wobei „eu“ gut bzw. schön heißt und
„thánatos“ der Tod. Es gilt als Linderung des Leidens im Sterben
oder als Sterbehilfe, d.h. die von einem Menschen bewusst gewollte
Hilfe bei der Herbeiführung des Todes durch eine andere Person.
Im
Gegensatz dazu waren die Euthanasie-Verbrechen im Nationalsozialismus
jedoch sorgfältig geplante Morde, die Teil der
nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ waren und zur Ideologie
der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ gehörte.
Diese
Morde fanden unter dem Tarnnamen T4 statt. Aktion T4 bedeutete vor
allem die Ermordung von Psychiatriepatienten und Behinderten in
Tötungsanstalten in den Jahren 1940/41. Als Beginn dieser Verbrechen
gilt der Befehl Adolf Hitlers vom 1. September 1939 an Reichsleiter
Phillipp Bouhler in dem es heißt:
„Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbaren Kranken bei kritischer Beurteilung ihres Gesundheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.“
Die
ersten Gruppen der NS-Psychiatrie in Osnabrück waren Opfer von
Zwangssterilisationen. Hierzu gab es ein Gesetz zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933. Die Umsetzung erfolgte
aber zwangsweise und man hatte den Eindruck, dass das
Erbgesundheitsgericht in Osnabrück willkürlich handelte.
Im
April 1941 wurden 92 weibliche und 156 männliche Patienten aus der
Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück zunächst nach Eichberg
und von dort nach Hadamar verlagert. Dies waren Transporte zu
inoffiziellen Tötungsstätten, von denen nie wieder ein Patient
zurückkehrte. Die T4 Verbrechen wurden zwar im August 1941 offiziell
eingestellt. Allerdings wurden noch bis zum Jahr 1945
Euthanasie-Morde begangen.
Doch nicht
jeder Patient, der im 2. Weltkrieg in einer Anstalt gestorben ist,
kann als Opfer der NS-Psychiatrie bezeichnet werden. Zu dieser Zeit
starben natürlich auch Patienten ohne konkrete Tötungsmaßnahmen
der Ärzte. Der Todeszeitpunkt allein führt also nicht zum Status
als Opfer des Nationalsozialismus.
Da sich
die Versorgungen aller Psychiatrien systematisch verschlechterten,
verschwimmen die Grenzen stark. Diese Entwicklung lässt sich auf das
„Notprogramm für die Gesundheitsfrage“ des
Reichsinnenministeriums aus dem Jahre 1931 zurückführen, das eine
„planwirtschaftliche Zusammenarbeit der Krankenanstalten“ vorsah.
Begründet wurde dies mit dem Ernst der Wirtschaftslage, weshalb auch
im Bereich des Gesundheitswesens erhebliche (finanzielle)
Einschränkungen unvermeidlich waren. Durch dieses „Notprogramm“
wurden also Bedingungen geschaffen, die nicht unmittelbar zum Tode
eines Patienten führen und sich folglich nicht ursächlich auf
seinen Tod beziehen lassen. Allerdings lässt sich belegen, dass
diese neuen, schlechten Umstände das Ableben der Anstaltsinsassen
erheblich beschleunigten.
Zudem gab es
nie einen direkten Tötungsbefehl aus Berlin, der Reichsausschuss
erteilte stattdessen sogenannte „Behandlungsermächtigungen“ auf
denen die Tötungsmaßnahmen beruhten. Es handelte sich also um
Geheimaktionen, da Tötungsbefehle auch damals nach dem
Reichsstrafgesetzbuch strafbar waren.
Zu den
geheimen Tötungsmethoden, die in der Regel auch in den
Patientenakten eingetragen wurden, zählen: Tötung durch Gas, Tötung
durch Überdosierung bestimmter Medikamente, Tötung durch den Entzug
lebenswichtiger Medikamente, Tötung durch Nahrungsentzug und Tötung
durch anstrengende Verlegungstransporte.
Doch wie
kann nun festgestellt werden ob es sich bei dem Verstorbenen wirklich
um ein NS-Opfer handelt? Aus den Informationen der Patientenakten
lässt sich folgender Katalog erstellen:
- Ungünstige oder negative Prognosen bei der Patientenaufnahme oder der Begutachtung
- Schwere oder schwerste körperliche oder geistige Schäden
- Einstufung der Patienten als unheilbar
- Beschreibung des Patienten ohne Entwicklungspotential der Fähigkeiten
- Hervorhebung des hohen Pflegeaufwands oder untypischer Krankheitsverlauf
- Einstufung als besonders aggressiv und störend
- Eintreten von Fieber kurz vor dem Tode
- Todesursache, die auf Erkältungserkrankungen hinweist (Lungenentzündung)
- Einweisung in ein anderes Gebäude, das als Tötungsstätte bekannt ist
- Aktenvorgänge, die auf eine Beteiligung des Reichsausschusses in Berlin hinweisen
Die
betroffenen Patienten wurden zudem meist als „tiefstehend“ und
„arbeitsunfähig“ beschrieben. Sie galten als „unwertes Leben“
und „unnütze Esser“. In 54 Patientenakten der Altstadt Osnabrück
lassen sich Einträge wie: „völlig interesselos und vollkommen
unverändert“ finden, die zur Verlegung in eine Zwischenanstalt und
wenig später zur Weiterverlegung in eine Tötungsanstalt führten.
Jedoch war
später weitgehend bekannt, dass es sich bei den
„planwirtschaftlichen Verlegungen“ um eine reichsweite Mordaktion
handelt, weshalb nur noch wenige Patienten für die Tötungstransporte
ausgewählt wurden. Auch in Osnabrück wurden verhältnismäßig
wenig Meldebögen übersandt, sodass eine Nachprüfung angeordnet
wurde. 99 Meldebögen mussten nachgereicht werden.
Obwohl schon
viele Informationen zu den Osnabrücker NS-Opfern ermittelt werden
konnten, bleibt vieles ungeklärt. Vor allem für die Bedürfnisse
der neuen Gedenkkultur sind weitere Forschungen notwendig. Gefühle
und Erinnerung können dabei jedoch die Nachforschungen beeinflussen.
Was entspricht der historischen Wahrheit? Was wurde bis heute geheim
gehalten??
Nach unserem Vortrag stellten wir den Aufbau des Denkmals mit den Seminarteilnehmer nach. Es gab einen Außenstehenden und eine Gruppe von Leuten. Wir verteilten Zettel auf denen der Satz: „Ich fühle mich....“ vollendet werden sollte.
Der
Alleinstehende schrieb: „Ich fühle mich... komisch,
aus-gesondert, kontaktlos, einsam, hilflos und ausgegrenzt.“ Die
Mitglieder der Gruppe schrieben: „Ich fühle mich.... geborgen,
menschlich, gut, als Teil der Gruppe, beschützt, sicher, nicht
alleine, stark, unterstützt, als Teil von Etwas und dazugehörig.“
Diese Aussagen untermauerten den ersten Eindruck des Denkmals: die
Gruppe wendet sich von dem „Andersartigen“, also der Minderheit
ab und grenzt ihn aus.
Allerdings
gab es auch andere Meinungen von den Seminarteilnehmern innerhalb der
Gruppe: „Ich fühle mich... beengt, blind, bedrückt, klein und
nicht individuell.“ Diese Aussagen führten uns zu einer
Diskussion: Warum kehrt die außenstehende Figur der Gruppe den
Rücken zu? Und warum schauen ihm die Mitglieder der Gruppe
hinterher? Kann die Stellung der Figuren neu interpretiert werden?
Schließlich
kamen zu einer weiteren Interpretation: Die Figurengruppe könnte
auch die Ausgegrenzten der NS-Zeit symbolisieren, während die
alleinstehende Figur den behandelnden Arzt darstellt, der sich von
den „Andersartigen“ abwendet und sie ausschließt.
Zum
Abschluss diskutierten wir warum das Kavermann-Denkmal erst so spät
aufgestellt wurde. Was hat es mit dem Jahre 2005 auf sich?
Im Jahre
2005 war der Zweite Weltkrieg genau 60 Jahre her. Nach dem Krieg
schämte sich die deutsche Bevölkerung für ihre Vergangenheit. Sie
wollten die Zeit erst mal hinter sich lassen und vergessen was
passiert war. Zudem lebten die Betroffenen und Angehörigen noch, was
so ein Denkmal unpassend machen würde. Denn so eine Geschichte
braucht Zeit um verarbeitet werden zu können. Heutzutage haben wir
keinen persönlichen Bezug mehr zur NS-Zeit, weshalb es nun wichtig
ist, an die Opfer zu gedenken und sie (und die deutsche
Vergangenheit) nicht zu vergessen!
Anna
Adels, Mavisen Melek, Pia van Alebeek
Literaturverzeichnis:
Damus, Martin/ Lindhorst, André/ Zimmer, Wendelin: Kunst im Öffentlichen Raum.Osnabrück: Rasch Druckerei und Verlag. Online-Publikation
Kavermann,
Werner: Website Werner
Kavermann. Osnabrück
2011.
Online-Publikation,<> Stand: 22.6.2014
Online-Publikation,<> Stand: 22.6.2014
Reiter,
Raimond: Opfer der
NS-Psychiatrie aus Osnabrück. Osnabrück 2010. Online- Publikation, <> Stand: 22.6.2014
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